Lesart
Die Werke von Gudrun Dorsch umfassen die Welt der unbewussten, nonverbalen Kommunikation durch Bewegung. Sie bedient sich dabei der Symbolkraft der Spirale, einem Sinnbild für den Anfang und das Ende. Ihre Malereien und Zeichnungen zeigen charismatische Personen, aufgebaut aus Bändern. Physische und psychische Grenzen des Menschen, aber auch Eigennamen, Übersetzungen, Überlieferungen und Wortspiele inspirieren sie in ihrem Schaffen. Die Künstlerin ordnet sich dem enigmatischen Realismus zu, einer Stilrichtung, in der das Offenkundige verhüllt, verborgen, verschleiert wird und Mysterien als Teil des menschlichen Daseins verstanden werden.
Die Spirale als Symbol der Seelenreise, ist in allen Kulturen von großer Bedeutung. Für viele Gelehrte, Wissenschaftler, Handwerker sowie bildende und darstellende Künstler war und ist sie ein steter Quell der Inspiration. Zahlreiche Ornamente an Bauwerken, mittelalterliche Grab- und Wandplatten und auch die Überlieferung kultischer Tänze zeugen von einer Verehrung der Spirale. In der Natur findet man sie in Flora, Fauna und im Mikrokosmos. In der Naturwissenschaft gibt es viele Gesetzmäßigkeiten mit Spiralcharakter – nicht zuletzt ist auch unsere DNA, als Doppelhelix, eine Spirale und ohne DNA gäbe es kein Leben.
Wir sind durch unsere DNA mit dem Universum verbunden. Auch in unserer Sprache finden wir zahlreiche Wörter, die ein Band zum Inhalt haben, z.B. „binden“, „winden“ oder „wickeln“. Wir „verbinden“ uns und sind „eingebunden“, wir werden „verwundet“ und müssen etwas „verwinden“, wir werden „eingewickelt“, „verwickeln“ und „entwickeln“ uns. Manchmal sind wir auch durch oder von etwas „gefesselt“ usw. … Die Vielfalt der Mehrfachdeutungen und Möglichkeiten der Interpretation sind nahezu grenzenlos.
All dies fließt in die Werke der Künstlerin Gudrun Dorsch mit ein. Sie spielt mit den Empfindungen des Betrachters und dessen seelischer Wahrnehmung. Mysteriös und undurchschaubar führen Ihre Exponate den Betrachter in die eigene Rätselhaftigkeit. Deshalb versteht die Künstlerin ihre Werke nicht als reine Malereien oder gemalte Grafiken, sondern vielmehr als Kommunikatoren der Zwischenmenschlichkeit oder Transmitter zur Selbstreflektion.
„[…] Eine Grenze ist das, was der Mensch dazu erklärt, bewusst oder auch unbewusst[…]. Ohne Grenzen wäre nichts wahrnehmbar. Sie sind die Voraussetzung jeder menschlichen Erkenntnis […]. Jedes menschliche Streben nach Freiheit ist nur denkbar durch das Überwinden bestehender Grenzen […]. Grenzen können Menschen schützen oder herausfordern aber auch behindern. Grenzen an sich sind weder gut noch böse. […]“
Professor Konrad Paul Liessmann, Institut für Philosophie der Universität Wien